HOFGARTENCAFÉ

Wettbewerb / competition Januar 2023
Team: Volker Miklautz, Thomas Jünger, Elias Geser, Gregor Glas

  1. VORWORT
    Ich möchte vorausschicken, dass ich durch meine persönliche Vorgeschichte das Metier der Gastronomie sehr gut kenne. In meiner zweiten Ausbildung habe ich mich viele Jahre intensiv mit Bühnenkunst auseinandergesetzt und in meiner Aufgabe als Architekt, versuche ich dieses Wissen in das Projekt einfließen zu lassen. Mein logistisches Ziel war es die Abläufe zu optimieren, sodass es möglich wird, dafür einen guten Betreiber zu finden und gleichzeitig diese Abläufe in Szene zu setzen und mit dem Ambiente des Hofgartens als Alleinstellungsmerkmal zu verknüpfen. Die Verquickung mit der Idee des Englischen Gartens und Teilen der architektonischen Vergangenheit an dieser Stelle bilden die Grundlage des Entwurfs und des Raumkonzeptes. Auf diese Weise entsteht aus dem „spirit of place“ ein einzigartiger Baukörper.
  2. STÄDTEBAU UND LANDSCHAFT

Zwei Grundaspekte des Entwurfes:

  • Städtebau: „Den großvolumigen Neubau des MCI ausblenden und trotzdem Bezüge herstellen“. Über virtuelle Blickachsen im 3D-Raum – aus dem Gastgarten in Richtung MCI-Neubau – wurden die Höhenpunkte und die Ausladung des Vordaches entwickelt, um das neue MCI Gebäude völlig auszublenden, wodurch der Gast nur die Atmosphäre des Hofgartens spürt und die Einzigartigkeit des Ortes genießen kann. Umgekehrt sieht man vom MCI nur das begrünte Dach des Cafés welches floral wie der Hofgarten selbst gestaltet ist (Formfindung durch Blickachsenanalyse). Es entsteht ein trapezförmiger Zuschnitt, welcher den Nebeneffekt hat eine städtebauliche Analogie zu den Einschnitten des MCI-Baues aufzuweisen und dadurch im Luftbild ensemblebildend wirkt, ohne sich diesem Diktat zu unterwerfen.
  • Landschaft: „Den Bezug zum Denkmal Hofgarten und dessen Vergangenheit herstellen“. Die Gestalt des neuen Gebäudes leitet sich aus den Bezügen des englischen Landschaftsgartens und dessen Ruinenarchitektur im Zeitalter der Romantik ab und übersetzt diese in die heutige Zeit. Ziegelmauern schaffen ein Grundgefüge für die innen- und außenräumlichen Interventionen. Die größtenteils niedrigen Mauern bilden das Grundkonzept der neuen Erschließung. Sie reagieren auf das bestehende Wegesystem und verleiten die Spaziergänger*Innen neue Wege zu beschreiten. Ist der Hofgarten geschlossen dann werden die Mauern zu einem Teil des Leitsystems für den beschränkten Zugang zum Café. Artifizielle Bäume tragen das blattartige Dach des Hauses und überdecken einen Teil der Mauern die im Innenraum zu Thekenelementen und Trennwänden werden. Tapeten, die eine phantasievolle Pflanzen- und Tierwelt darstellen (im Stile eines phantastischen Realismus) verkleiden die frei im Raum stehenden Kühlboxen und schaffen ein besonderes Flair mit kunstvollen Bezügen zum Thema der kaiserlichen Gärten. Die thermische Abtrennung zwischen Gastraum und Terrassen erfolgt durch Glasschiebewände, wodurch man völlig in die Atmosphäre des Gartens eintauchen kann.
  1. ARCHITEKTUR

Baukünstlerische Qualität des Gebäudes und des Gartens:„spirit of place“

  • Das architektonische Konzept bedient sich einer artifiziellen Übersetzung der Gartenarchitektur. Bäume aus Schwarzstahl dienen als Stützenkonstruktion für das blattartige Dach in vier Meter Höhe. Die Baumstützen setzen sich im Gastgarten in kleinerer Form fort – als Beschattungselemente mit einrollbaren Sonnensegeln (mit großformatigem Herbstlaub-Muster) – wodurch der fließende Übergang von innen nach Außen verstärkt wird. Abends werden die Sonnensegel zu belichteten Objekten für das Ambiente. Nicht nur das Dach des Cafés bildet einen Teil des Landschaftsgartens, sondern auch die Dachbegrünung wird als solche von einem Landschaftsplaner gestaltet. Der trapezförmige Zuschnitt desselben im Grundriss ergibt sich einerseits aus der vorhandenen Freifläche zwischen den Bäumen, als auch aus den Sichtbezügen, wie Anfangs erwähnt (ad Städtebau). Lichtkuppeln über den Baumstützen sorgen für natürliches Licht im Gebäude. Das Dach wird Richtung Westen über die Stützen aufgedehnt und erzeugt einen cinemascopeartigen Ausblick in den Garten und lässt die flache Herbst- und Wintersonne in den Gastraum und auf die Terrasse, die dadurch länger nutzbar wird. Nordseitig begleitet eine Ziegelmauer die Terrassen und bietet zusätzlich Windschutz.
  • Die Terrassierung des Geländes bezieht sich auf die höherliegende überdachte Veranda des Holzmeister-Baues und setzt diesen Ansatz im Gastgarten fort. Die Terrassen bleiben unter 60 cm Höhe um die Erfordernis von Geländern zu vermeiden. Die Höhensprünge erzeugen freie Sicht Richtung Westen und werden mit Eichenbänken bestückt.
  • Runde Mauerteile als Reminiszenz zum alten Café werden Teile eines Skulpturengartens entlang des südlichen Hauptweges vom Congress zum neuen MCI. Dieser bildet eine künstlerische, kulturelle und prinzipiell konsumfreie Erweiterungsfläche zum Gastgarten mit einem eigenen Lichtkonzept und kann bei speziellen Veranstaltungen (Vernissagen, Konzerten, universitären Feiern und dgl.) vom Café mitbetreut werden. Gleichzeitig soll der Skulpturengarten zum längeren Verweilen einladen und en passant Kultur und Kunst vermitteln – als verlängerter Arm des Kunstpavillons der Künstlerschaft. Der ostseitige Durchbruch in der Hofgartenmauer wird nach der Bauphase größtenteils verschlossen. Ein Lichtfenster für die Hauptachse wird beibehalten und als „Kunst am Bau“-Projekt umgesetzt.
  1. FUNKTION

Funktionalität Gastro / Erschließung (Erdgeschoss):

  • Die Funktionalität der gastronomischen Abläufe bildet die Basis des Raumkonzeptes. Jeder Bereich ist sinnvoll verortet und wohlbedacht um kurze Wege für Mitarbeiter und Gäste als auch für Speis und Trank zu gewährleisten.
  • Es gibt eine interne Achse in Nord-Süd-Richtung zum schnellen Switchen zwischen den Bereichen (Chef de Cuisine, Küche, Restaurantchef, Bar) sowie eine zentrale Hauptachse in Ost-West-Richtung als Hauptversorgungsader mit Stiege zum UG, Restaurantchef, Lift, Verteilergang Kühlräume, Servierstation, Ausgabe Küche und Servier-Achse bis in den Gastgarten.
  • Eine zentrale Außentheke mit mobilen Elementen sorgt für rasche Getränkeausgabe und kurze Wege im Sommer als auch im Winter (Glühweintheke mit Stehtischen). Die Geschirrrücknahme erfolgt größtenteils über einen parallelen Weg nördlich zur Hauptachse bis hin zur Spüle, die nördlich der Küche liegt.
  • Die Küche ist in verschiedene Stationen in Ost-West-Richtung unterteilt und wird dreiseitig belichtet. An der Stirnseite der Küche zum Gastraum ist nebst der Ausgabe auch eine Buffettheke integriert die Vormittags zum brunchen einladet und außerhalb der Hauptessenszeiten als Kuchentheke dient und direkt von der Küche aus nachbestückt werden kann (kurze Wege/frische Speisen). Ausgabe Küche und Servierstation liegen mit ausreichend Abstand gegenüber und bilden einen zentralen Kontrollpunkt.
  • Die südseitige Bar schafft mit dem warmen Ambiente einen intensiven Kontakt zum Hofgarten. Sie ist gleichzeitig Zu- und Ausgangskontrolle und kann für ausschließlichen Barbetrieb vom Rest des Cafés abgetrennt werden. Der Getränkekühlraum ist direkt hinter der Bar und ermöglicht, dass Postmix-Getränke, CO2-Flaschen,Karbonator, Bier und sonstige Zapf-Getränke direkt angeschlossen werden können (weniger Schwund). Hier erfolgt auch die Präsentation der Flaschenweine, Schnäpse und Liköre und die kunstvolle Zubereitung der Longdrinks.
  • Ein Tageslager für Tischwäsche und Möbel ist nebst dem Stiegenhaus angeordnet um rasch nachbestücken zu können.

Funktionalität An- und Ablieferung (Untergeschoss):

  • Die Zulieferung erfolgt ausschließlich über das UG, ausgenommen Spezialitäten die persönlich gebracht werden. Der Zugang wird zum Anlieferungslager erweitert und ist eigens versperrbar. Nebst Haustechnik wird auch ein gekühlter Müllraum integriert um Wege zu reduzieren. Neben dem Haupt- und dem Getränkelager gibt es auch ein großes Winterlager für die Außenmöbel, welches im Sommer als Lagerreserve für große Veranstaltungen dient.
  • Neben dem Lastenlift ist eine zusätzliche Verteilerfläche für den Nachschub und ein Putzraum (einer je Geschoss) angeordnet.
  • Die Sozialräume im UG werden über einen großzügigen „Innen-Hofgarten“ belichtet (wie auch die Büroräume der Chefs im EG), der als Pausenhof im Sommer dient.

Funktionalität Besucherwege:

  • Alle Besucher gelangen barrierefrei zu den verschiedenen Niveaus des Sitzgartens und des Cafés über Wege und flach geneigte Rampen. Alle Toiletten sind ebenerdig erreichbar, wodurch kein zweites Stiegenhaus bzw. kein Lift erforderlich ist. Über breite Gassen gelangt man von der Süd- und der Westseite in den Sitzgarten und weiter auf die überdeckte Terrasse und den Gastraum. Ein zusätzlicher Weg entsteht durch den Skulpturengarten, der den Besucher entschleunigen und zum Verweilen animieren soll.
  1. ÖKONOMIE

Wirtschaftlichkeit der Gesamtlösung in Betrieb, Erhaltung und Sanierung:

  • Durch die durchgestaltete und durchdachte Logistik, besonders in Bezug auf kurze Wege und die präzise Positionierung der Funktionen, entsteht für den Betreiber und die Mitarbeiter höchster Arbeitskomfort und Identifikation mit dem Betrieb.
  • Für den Gast wird es ein einzigartiger Ort, den es in dieser Form nirgends auf der Welt gibt, der aus den Gegebenheiten des kaiserlichen Hofgartens entstanden ist und dadurch zum „must be“ in der Innsbrucker Lokalszene werden kann und weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit erlangen soll.
  • Die optimalen Arbeitsabläufe ermöglichen einen personalsparendenden Betrieb, was einen beträchtlichen Teil der Fixkosten ausmacht. Das begrünte Dach verhindert eine Überhitzung im Sommer und spart Energiekosten für die Kühlung.
  • Dadurch das nur die Stützen, der Liftkern und die Außenwände Nord- und Ost tragend sind, kann auf alle Veränderungen in der Zukunft räumlich reagiert werden, wodurch eine Langlebigkeit des Gebäudes gewährleistet ist, auch wenn sich die Nutzung völlig ändern würde.
  • Durch die Zugänglichkeit des Gebäudes von allen Seiten ist eine Sanierung, sofern sie in den nächsten zwanzig Jahren notwendig wird, leicht und rasch durchzuführen.

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